Wednesday, July 15, 2009

Wohnheim: Kritik und Praxis

Die letzten Blogposts waren doch eher der theoretischen Natur verpflichtet. Heute gibt es einen kleinen Beitrag zur klassischen gesellschaftlichen Kritik und zwar in meinem kleinen Wohnheim. Die Situation schildert sich einfach: Die Maedchen-WG, deren Existenz erst nach dem Vorfall bemerkte, beschwerte sich, dass bestimmte Nahrungsmittel von ihnen entnommen wurden. Dabei handelt es sich um Kleinigkeiten, aber es reichte aus, um am schwarzen Brett eine heisse Diskussion zu entbrennen. Nur ueber dieses Medium konnte ich die gesellschaftlichen Spuren nachvollziehen. Ein persoenlicher Kontakt blieb mir bisher mit dieser Problemsituation erspart, obwohl andere Dinge, wie das unentgeltliche Nachkaufen von Klopapier oder Spuelmittel, zu meinem Bereich gehoeren. Doch ich lebe zu einem gewissen Grad nach der Maxime, dass Eigentum Diebstahl ist. Saemtliches Eigentum ist eine Illusion der Gesellschaft in der wir leben. Denn der vollstaendige Besitz einer Ware unmoeglich, durch die inhärente Paradoxie des Besitzes. Er bedeutet fuer mich die totale Gleichschaltung der Beduerfnisse und der ungeteilte Anspruch auf die Mittel, welche zur Herstellung genutzt wurden. Doch beruht zum Beispiel meine Bildung, die massgeblich am Ergreifen von Besitz beteiligt ist, auf einer gemeinschaftlichen Aktion. Ohne das Wissen der Muetter und Vaeter waere es fuer mich unmoeglich gewesen, dieses Kapital zu erlangen. Man koennte einwenden, dass aber mein besonderer Einsatz den Mehrwert darstellt, der den Besitz rechtfertigt. Aber auch dieser ist nur eine Illusion. Intrinsische Motivation, die es moeglich macht Kapital aufzubauen, welches ein Plus gegenueber der Menschheit darstellt, wird durch aeussere Einfluesse geschaffen, die wiederum ein Teil der grossen Ursachen- und Wirkungskette sind. Ich moechte damit vor allem zum Ausdruck bringen, das Demut eine wichtige Tugend darstellt, Demut vor all dem Geschaffenen und Demut vor den Menschen, welche nicht den Weg einschlagen konnten, der ihnen die Verwirklichung ihres Selbst durch eigene Aktionen, losgeloest von der buergerlichen Masse, ermoeglicht. Unsere Pflicht diesen Menschen zu helfen, ergibt sich aus rein egoistischen Gruenden. Der Prozess des Gebens und Nehmens sollte nicht durch die materielle Sache selbst bestimmt werden. Das geistige Bild der Welt bestimmt unsere Ideale, die uns zum grossartigen Menschen machen. Die Bestimmung uns von Affen zu unterscheiden, muss verdient werden. Die blosse Reflektion der Dinglichkeit, des Fassbaren, erschafft eine Welt, deren Basis ein Konstrukt ist, welches die Menschen gefangen nimmt. Die Freiheit den Geist zu entfalten und eine Struktur der Herrschaft der Intelligenz zu schaffen, ist ein menschliches Verlangen, welches nur durch die Entsagung einer Konsumebene geschaffen werden kann. Die Konkretisierung dieses Problems laesst sich am Nachkaufen des Spuelmittels verbildliche: Wenn ich es unterlassen haette, das Spuelmittel nachzukaufen, dann haette ich, wieder jeder andere die Situation des individuellen Nachkaufs gestaerkt. Die Architektur einer sozialen Struktur waere gestoert, und die Schaffung eines Besitzes waere Teil meines Charakters. Ich inkorperiere den Gedanken des Eigentums, des Festhaltens, an eine Sache, die ich nicht bin. Deshalb muss ich ihr entsagen, und das aus puren egoistischen Gruenden, ich moechte meinen Charakter nach meinem Selbst formen. Trotz alle dem bin ich auf der Seite der Maedchen. Der letzte Kommentar auf dem schwarzen Brett war die blanke Provokation. Es stand geschrieben, dass eine Person, die gestohlenen Produkte zu verkaufen habe, und ob sich die Maedchen-WG jetzt nicht schlecht vorkomme. Es war formuliert, wie als haette die Person lang, in ihrer Scham ueber den Diebstahl nachgedacht und dann nach langen Ueberlegung, sich gegen die Reife entschieden. Die Umwelt wurde an die eigene Realitaet angepasst. Die Sache selbst wurde verharmlost und der Taeter entlastet. Das Eigentumsrecht ist ein wichtiges Recht, denn es stellt sicher, dass Aktion mit einer gewissenen Eigenverantwortlichkeit ausgefuehrt werden. Ohne Eigentum gibt es auch keine eigenen Entscheidungen. Ich als Eigentuemer des Spuelmittels entscheide ueber dessen Freigabe und baue damit allein ein soziales Geruest nach meinem Bild. Wenn das Spuelmittel frei waere, dann gaebe es niemanden, der ein Geruest bauen kann, aber die Fragestellung selbst waere hinfaellig. Dieser Prinzip der Eigenverantwortlichkeit wird vor allem in der Wirtschaft angewandt. Ein Mensch ohne eigene Verantwort kennt keine persoenlichen Konsequenzen und nur persoenliche Konsequenzen koennen eine persoenliche Veraenderung herbeifuehren. Soweit der verhaltenstheoretische Ansatz. Bei diesem wird versucht, durch negative Konditionierung, nicht erwuenschtes Verhalten zu verringern und erwuenschtes zu verstaerken. Es existieren aber des weiteren noch andere Ansaetze der Motivation. Es ist zum Beispiel moeglich, dass Motivation aus dem inkongruenten Zustand des erwuenschten und als real wahrgenommenen Selbstbildes, entsteht. Gesellschaftliche Veraenderung entsteht hierbei durch Ermoeglichung einer Entfaltung des Bildes von jedem einzelnen Menschen, hin zum gewuenschten Bild. Oder der Annaeherung der Wuensche auf ein Niveau, in dem sie auch erfuellt werden koennen. Ich handele streng nach der Maxime, Eigentum ist Diebstahl. Bewusst schliesse ich mein Zimmer jeden Morgen ab, denn nur so kann ich Geheimnisse von der Seele der Allgemeinheit stehlen, die dann ganz allein mir gehoeren, entgegen jeglicher Vernunft.

No comments: