Monday, July 20, 2009
Schritte -- ein Gedicht
Ein Gedicht ist eine Momentaufnahme. Jeder Gedanke, jedes Gefuehl,
Couleur einer vergangenen Zeit. Kleine Risse im Papier, kalter Regen
auf der Haut, die Zukunft schweigt nicht. Schritt fuer Schritt
entwickeln wir jeden Gedanken hin in eine ungewisse Zukunft.
Die Veraenderung traegt uns weiter. Die extreme Naehe, in der sie
stattfindet, sie macht uns zu schaffen. Wir koennen nicht anders, als
sie zu ignorieren. Wir wuenschen uns jeden Gedanken auf die
Veraenderung im Kleinen wegzuschmeissen und den grossen Abriss zu
vollfuehren. Doch das ist nicht moeglich.
Die Zeit versucht uns in Verfuehrung zu tragen, saemtliche
Errungenschaften fuer die Minute der vollstaendigen Auskostung des
Lebens zu opfern. Und Recht werden wir damit erfahren.
Meine Angst, mein Leben wird fuer immmer im Zweifel der Herrschaft
eines unaussprechlichen Gedanken sein. Aber dieser bleibt fuer immer
unser Geheimnis.
Nass glaenzt der Regen auf deiner Haut. Kleine Risse im Papier, sie
zeigen die Richtung. Der Asphalt glaenzt am roten Kaminfeuer des
alten expressionistischen Gebaeudes. Die handzahme Beleuchtung im
buergerlichen Rot tut ihr uebriges. Die totale Dekonstruktion des
Momentes findet in meinem Kopf statt. Jede geschwungene Kurve, jedes
leuchtende, aus der Dunkelheit hervorstechende Licht, wird durch eine
schwarze kubische Form zurueck gedraengt.
Wuetend stapft der alte Mann zurueck, der vor einer handvoll Wochen
das unaussprechliche Tat: Er bemaengelte ein Gebaeude seiner
Simplizitaet wegen. Reine Verachtung auf sein minder bemitteltes
Haupt.
Die Elite traegt ihre Fuesse im stolzen Eifer vor dir voraus. Du
bist der ewige Klotz am Bein der Evolution. Du bist der unfaehige
Mensch, der nichts wirklich beherrscht und durch Arroganz und kuehne
Rede denkt, er kann uns taeuschen. Doch die Taten werden nicht ohne
Folgen sein, und eines Tages wirst du auf das Werk deines Lebens
zurueckblicken und bemerken, dass nichts von dir uebrig bleibt. Dass
der See dein Salz komplett genommen hat. Und dann siehst du, was du
bist.
Du denkst natuerlich, dass die anderen die Arbeit schon tun werden.
Und deiner Position bist du nicht wirklich sicher. Im Kindesalter
haettest du gern etwas anderes gemacht, und jetzt schaetzt du dein
Hobby mehr als dein Tageswerk. Du jammerst ueber die Umstaende und
siehst ein, dass du nichts veraendern kannst. Du verteidigst die
Menschen, die keine Tugend in ihren Taten sprechen lassen, weil sie so
handeln, wie auch du es tun wuerdest. Aber du leugnest es. Du kommst
in Fahrt bei politischen Diskussion, du in der Bourgeoisie geborenes
Kind. Du kaempft fuer deine Freiheit, du kaempfst ums Ueberleben.
Denn der Klassenkampf, den du dir wuenschst, der ist laengst vorueber.
Du siehst Geld vor deiner Nase und denkst, so schwer kann das nicht
sein, das zu haben. Du laesst dich locken, du laesst dich treiben.
Du denkst das es keine Extreme geben kann, und deshalb verfolgst du
den Kompromiss.
Aber du bist leider nichts wert. Du siehst mich in deinen Raum
kommen, und du kannst mich auf einmal nicht leiden. Denn was ich
spreche ist immer die Wahrheit. Und ich hasse dich nicht, ich liebe
dich nicht, ich rede mit dir. Deine Fragen werden beantwortet, aber
dein Hass nicht. Und willst du etwas von mir, so werde ich es dir
geben. Aber ich gebe es dir, so wie ich es moechte, auf die beste Art
und Weise, wie es mir moeglich ist.
Und ich beginne zu Denken und ich fuehre diesen Gedanken auch zu
Ende. Das macht dir angst. Du kannst nicht auf diesen Fleck in
deiner Seele blicken, denn dieser Fleck wird mit jedem Tag groesser.
Er waechst mit deiner Angst vor der Realitaet. Du siehst, dass es
keine Gespenster gibt, und du realisierst auch, dass du leider dein
Schicksal selbst in der Hand hast.
Es wird einen Tag geben, da sitzt du allein da. Jemand wird auf dich
zukommen, er wird sich auf die Stufen neben dich setzen. Ein kalter
Herbstwind wird dein Haar zur Seite wehen. Und jetzt kannst du ihn
ganz genau sehen, und er fragt dich: Was willst du in deinem Leben
noch tun?
Holzstuecken treiben lose durch den dichten Strudel. Es reisst einem
fast die Beine weg. Konzentriert sieht er auf seine beiden Knoechel.
Schritt fuer Schritt kommt er dem zahmen Ufer naeher. Schritt fuer
Schritt bewegt er sich gegen diesen einen Strom. Kein Mensch ist in
seiner Naehe, der wieder einmal dazwischen reden koennte. Doch dieses
eine Mal ist dem nicht so. Ich presse meine Lider stark gegen die
feuchten Augen. Der Wind treibt das Salz in die rauhe Netzhaut. Doch
es ist nicht der Schmerz, der ein Laecheln zulaesst: Es ist die reine
Unrast, die sich einfach so, fuer diesen Abend ergibt.
Ein Strudel aus Licht, ein Karussel aus ausgehoelten
Kokosnussschalen. Das Paradies und das Ende von diesem ist Nahe.
Viel zu lange wurde ueber die Moeglichkeit der Ausloeschung von diesem
geredet. Die Attraktivitaet eines Ortes der Ruhe ist zu gross. Sie
kommen hier her. An diesen Ort des Chaos, sie setzen sich hier hin.
Sie blicken mir eben an dieser Stelle in die Augen, die doch noch vor
einer Stunde voll von Salz waren. Und sie reden ueber Dinge, die sie
nicht kennen. Und sie jonglieren mit Worten, die sie niemals
verstehen werden. Sie sind langweilig, und deshalb koennen sie dir
nicht zuhoeren. Sie spielen Spiele, sie lassen Spiele spielen, sie
schauen Dinge an und vor allem konsumieren sie.
Das Wirken auf andere ist der heilige Gral, der Spender von
Seelenruhe. Und so ist die Seele rastlos solange sie weiss, das
andere sie bewerten und drehen und wenden und anschauen und richten.
Du aber richtest nicht. Du siehst nicht die anderen, du siehst nur,
was sie tuen. Aber du urteilst, und zwar allein.
Niemals fragen, was die anderen Denken, niemals sehen, was die anderen
sehen, niemals fuehlen, was die anderen fuehlen, denn das bist du
nicht. So tief moechtest du niemals fallen.
Das Geheimnis dieser Welt, es steckt in uns. Die Loesung der Sache
ist groesser als die selbstverliebte Charitas. Sie ist die Charitas.
Und jeden Tag werde ich der selbe sein. Denn jeder Tag ist wahr, denn
er ist mein Schicksal.
Wednesday, July 15, 2009
Wohnheim: Kritik und Praxis
Die letzten Blogposts waren doch eher der theoretischen Natur
verpflichtet. Heute gibt es einen kleinen Beitrag zur klassischen
gesellschaftlichen Kritik und zwar in meinem kleinen Wohnheim. Die
Situation schildert sich einfach: Die Maedchen-WG, deren Existenz erst
nach dem Vorfall bemerkte, beschwerte sich, dass bestimmte
Nahrungsmittel von ihnen entnommen wurden. Dabei handelt es sich um
Kleinigkeiten, aber es reichte aus, um am schwarzen Brett eine heisse
Diskussion zu entbrennen. Nur ueber dieses Medium konnte ich die
gesellschaftlichen Spuren nachvollziehen. Ein persoenlicher Kontakt
blieb mir bisher mit dieser Problemsituation erspart, obwohl andere
Dinge, wie das unentgeltliche Nachkaufen von Klopapier oder
Spuelmittel, zu meinem Bereich gehoeren. Doch ich lebe zu einem
gewissen Grad nach der Maxime, dass Eigentum Diebstahl ist.
Saemtliches Eigentum ist eine Illusion der Gesellschaft in der wir
leben. Denn der vollstaendige Besitz einer Ware unmoeglich, durch die
inhärente Paradoxie des Besitzes. Er bedeutet fuer mich die totale
Gleichschaltung der Beduerfnisse und der ungeteilte Anspruch auf die
Mittel, welche zur Herstellung genutzt wurden. Doch beruht zum
Beispiel meine Bildung, die massgeblich am Ergreifen von Besitz
beteiligt ist, auf einer gemeinschaftlichen Aktion. Ohne das Wissen
der Muetter und Vaeter waere es fuer mich unmoeglich gewesen, dieses
Kapital zu erlangen. Man koennte einwenden, dass aber mein besonderer
Einsatz den Mehrwert darstellt, der den Besitz rechtfertigt. Aber
auch dieser ist nur eine Illusion. Intrinsische Motivation, die es
moeglich macht Kapital aufzubauen, welches ein Plus gegenueber der
Menschheit darstellt, wird durch aeussere Einfluesse geschaffen, die
wiederum ein Teil der grossen Ursachen- und Wirkungskette sind. Ich
moechte damit vor allem zum Ausdruck bringen, das Demut eine wichtige
Tugend darstellt, Demut vor all dem Geschaffenen und Demut vor den
Menschen, welche nicht den Weg einschlagen konnten, der ihnen die
Verwirklichung ihres Selbst durch eigene Aktionen, losgeloest von der
buergerlichen Masse, ermoeglicht. Unsere Pflicht diesen Menschen zu
helfen, ergibt sich aus rein egoistischen Gruenden. Der Prozess des
Gebens und Nehmens sollte nicht durch die materielle Sache selbst
bestimmt werden. Das geistige Bild der Welt bestimmt unsere Ideale,
die uns zum grossartigen Menschen machen. Die Bestimmung uns von
Affen zu unterscheiden, muss verdient werden. Die blosse Reflektion
der Dinglichkeit, des Fassbaren, erschafft eine Welt, deren Basis ein
Konstrukt ist, welches die Menschen gefangen nimmt. Die Freiheit den
Geist zu entfalten und eine Struktur der Herrschaft der Intelligenz zu
schaffen, ist ein menschliches Verlangen, welches nur durch die
Entsagung einer Konsumebene geschaffen werden kann.
Die Konkretisierung dieses Problems laesst sich am Nachkaufen des
Spuelmittels verbildliche: Wenn ich es unterlassen haette, das
Spuelmittel nachzukaufen, dann haette ich, wieder jeder andere die
Situation des individuellen Nachkaufs gestaerkt. Die Architektur
einer sozialen Struktur waere gestoert, und die Schaffung eines
Besitzes waere Teil meines Charakters. Ich inkorperiere den Gedanken
des Eigentums, des Festhaltens, an eine Sache, die ich nicht bin.
Deshalb muss ich ihr entsagen, und das aus puren egoistischen
Gruenden, ich moechte meinen Charakter nach meinem Selbst formen.
Trotz alle dem bin ich auf der Seite der Maedchen. Der letzte
Kommentar auf dem schwarzen Brett war die blanke Provokation. Es
stand geschrieben, dass eine Person, die gestohlenen Produkte zu
verkaufen habe, und ob sich die Maedchen-WG jetzt nicht schlecht
vorkomme. Es war formuliert, wie als haette die Person lang, in ihrer
Scham ueber den Diebstahl nachgedacht und dann nach langen
Ueberlegung, sich gegen die Reife entschieden. Die Umwelt wurde an
die eigene Realitaet angepasst. Die Sache selbst wurde verharmlost
und der Taeter entlastet. Das Eigentumsrecht ist ein wichtiges Recht,
denn es stellt sicher, dass Aktion mit einer gewissenen
Eigenverantwortlichkeit ausgefuehrt werden. Ohne Eigentum gibt es
auch keine eigenen Entscheidungen. Ich als Eigentuemer des
Spuelmittels entscheide ueber dessen Freigabe und baue damit allein
ein soziales Geruest nach meinem Bild. Wenn das Spuelmittel frei
waere, dann gaebe es niemanden, der ein Geruest bauen kann, aber die
Fragestellung selbst waere hinfaellig. Dieser Prinzip der
Eigenverantwortlichkeit wird vor allem in der Wirtschaft angewandt.
Ein Mensch ohne eigene Verantwort kennt keine persoenlichen
Konsequenzen und nur persoenliche Konsequenzen koennen eine
persoenliche Veraenderung herbeifuehren. Soweit der
verhaltenstheoretische Ansatz. Bei diesem wird versucht, durch
negative Konditionierung, nicht erwuenschtes Verhalten zu verringern
und erwuenschtes zu verstaerken.
Es existieren aber des weiteren noch andere Ansaetze der Motivation.
Es ist zum Beispiel moeglich, dass Motivation aus dem inkongruenten
Zustand des erwuenschten und als real wahrgenommenen Selbstbildes,
entsteht. Gesellschaftliche Veraenderung entsteht hierbei durch
Ermoeglichung einer Entfaltung des Bildes von jedem einzelnen
Menschen, hin zum gewuenschten Bild. Oder der Annaeherung der
Wuensche auf ein Niveau, in dem sie auch erfuellt werden koennen.
Ich handele streng nach der Maxime, Eigentum ist Diebstahl. Bewusst
schliesse ich mein Zimmer jeden Morgen ab, denn nur so kann ich
Geheimnisse von der Seele der Allgemeinheit stehlen, die dann ganz
allein mir gehoeren, entgegen jeglicher Vernunft.
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